Kapitel 3

Eva überprüfte die Uhrzeit auf dem kleinen Funkgerät, das sie an ihre Brust drückte. Es schien unmöglich, aber es waren weniger als zwei Stunden vergangen, seitdem sie lachend mit Tess zusammengesessen hatte. Für sie zog sich die Zeit wie die Kaubonbons, die einige Händler während des Anbruch-Festivals verkauften. Sie hätte schwören können, dass es Tage her war. Und noch länger schien es her, dass sie in der Wohnung ihrer Cousine saß und Valentina drückte. Und sich von Luis verabschiedete ...

„Eva, wir schulden ihnen nichts.“ Ein raues Husten, einer der Zivilisten. Jedermanns Stimme war nur noch ein ruppiges Kratzen. Asche erfüllte die Luft und setzte sich überall fest.

Eva drückte sich einen Lappen an den Mund, während sie krächzend antwortete. „Wie kannst du es wagen?“ Ihre Stimme schwoll vor Zorn an. „Dein ganzes Leben lang haben sie dich beschützt und jetzt willst du sie einfach im Stich lassen?“

Der Gegenstand ihres Disputs lag auf dem Boden des Lagers. Ein Hüter-Quartett – sie alle waren verletzt und bluteten unter ihrer schimmernden Rüstung. Selbst als sie die Zukunft ihrer kleinen Truppe abwog, musste sie anerkennen, wie gut deren Modegeschmack war. Der Jäger hatte sich natürlich die meiste Mühe gegeben.

Der Mann, mit dem sie sich stritt, war dickbäuchig und hatte keine Ahnung von Mode, was man an seiner langweiligen funktionellen Uniform sah: Er arbeitete für den Konsens. Er blickte sie mürrisch an und verkündete mit rauer Stimme: „Wir können kaum eine größere Menge von uns von A nach B bringen ... ganz zu schweigen von einem Haufen verwundeter, machtloser Hüter. Warum sollten wir unsere Leben r...“

„Glaubst du nicht, dass sie nicht hunderte Male ihre Leben für dich riskiert haben?“ Sie nahm den Lappen von ihrem Gesicht und spuckte Schleim vermischt mit Asche zur Seite. Ihre Mutter wäre vor lauter Schreck glatt noch einmal gestorben. „Wir müssen weiter, wir müssen sie mitnehmen und wir müssen durchhalten. Was auch immer das hier ist, es ist temporär.“

Er verzog das Gesicht, doch sie redete weiter: „Wenn sie das Licht wieder erlangen, werden sie ...“

Ihre Tirade wurde von einem lauten Rauschen aus dem Funkgerät unterbrochen. Es war so laut, dass sie das Gerät zu Boden fallen ließ. Das verstärkte Gehäuse fing den Aufprall ab und alle Umherstehenden hörten die tiefe Stimme von Commander Zavala, als er zu sprechen begann: „Bürger der Letzten Stadt. Hört mir zu.“

Wie ein verdurstendes Volk umringten die Zivilisten das Funkgerät. Zavala war stets ein Stützpfeiler, ein Schimmer der Hoffnung in ihren Leben gewesen. Sicherlich würde er nicht ...

„Wir geben die Stadt auf. Wir haben evakuiert, wen wir konnten, aber die Kabale jagen jetzt Hüter in den Straßen. Wenn es möglich ist, solltet ihr euch in die Wildnis begeben.“ Eva fühlte sich, als sei ihr ein Schlag versetzt worden.

„Die Kabale haben eine Art Maschine an den Reisenden angebracht und unsere Verbindung mit dem Licht getrennt. Wir können die Stadt nicht länger halten und wir können euch nicht länger schützen.“ Er machte eine lange Pause, als wollte er seine Worte genau abwägen. Als er wieder sprach, klang Zavala sehr, sehr müde.

„Wir richten an einem anderen Ort im System einen Treffpunkt ein. Eine Übertragung dazu folgt. Eines Tages werden wir in die Stadt zurückkehren, aber ... ich weiß nicht, wann.“ Eine weitere Pause. „Seid vorsichtig. Seid stark.“ Und weg war er.

Man musste es der Gruppe lassen, sie schrien nicht. Auch, wenn es nur ein paar Stunden waren, waren sie am Leben, weil sie gelernt hatten, ihre Position nicht zu verraten. Sie weinten jedoch. Tränen rannen ihnen über die von Asche beschmutzten Gesichter; diese Gesichter blickten sich gegenseitig an, als sie versuchten, zu verstehen, was passiert war.

Eva weinte nicht. Sie konnte nur das Übertragungsgerät anstarren und an Zavalas Schultern denken. Sie witzelte oft mit ihm über die Größe der Schulterplatten an seiner Rüstung und diese riesige Schutzplatte an seiner linken Schulter. Und jetzt ... ganz plötzlich ... meinte sie, es zu verstehen. Das Gewicht, das auf seinen Schultern lastete ...

Eva stand da und alle Blicke waren auf sie gerichtet. Sie zuckte leicht zusammen. Und dann sagte sie mit sorgsam gewählten Worten: „Die meisten von ihnen gehen. Also müssen wir ihnen helfen.“ Sie deutete auf die Hüter. „Wenn wir sie am Leben halten können, können sie uns verteidigen, uns schützen.“ Sie blickte sich in der Runde um und sah einige von ihnen nicken.

„Wohin gehen wir?“, fragte eine Frau.

Eva blickte wieder auf das Funkgerät. „Die Kabale haben das sicherlich gehört. Sie werden an der Mauer patrouillieren und auf uns warten.“ Sie blickte auf und in die Runde. „Deshalb bleiben wir hier. Wir gehen zum Rand der Stadt und finden einen Ort, an dem die Kabale uns nicht vermuten werden.“

Die Schneiderin bückte sich, hob das Übertragungsgerät auf und hängte es sich über die Schulter. „Alle Mann aufstehen. Der Weg zum Dämmerbruch ist weit.“