Kapitel 3

Ich bin der erste Sprecher, der einen Geist sieht.

Wir erzählen es so, dass, nach dem Untergang, der Reisende sich selbst in tausend kleine Teile zerlegt und sie in die Welt hinausgeschickt hat.

Ich und andere wie ich ziehen diese kleinen Teile an wie das Licht die Motten. Als ich sie zum ersten Mal sah, hielt ich sie für Überwachungsdrohnen, doch aus der Nähe hatten sie nichts mit unserer Technologie gemein, nicht wirklich. Ihre Art, sich zu bewegen, wirkt organisch und natürlich. Sie lassen ihre Hüllen kreisen, als würden sie ihr Gefieder aufplustern; ihre kleinen, nach vorn gerichteten Leuchten blinzeln wie Augen.

„Man nennt uns Geister“, sagte mir einer von ihnen, an meiner Schulter schwebend, während ich über einem Feuer etwas kochte.

„Wieso?“, fragte ich, sanft, beiläufig. Sie sind alle verschieden, diese Geister. Viele von ihnen sind wie Kinder, neugierig und freundlich. Manche sind vom Moment ihrer Geburt an des Lebens überdrüssig.

Der Geist ließ seine silbernen Blütenblätter rotieren und überlegte. „Weil wir suchen, glaube ich.“

Diese Antwort genügt mir völlig. Ich bin auch auf der Suche.

Ich lasse zu, dass die kleinen Geister mir folgen. Wir sprechen darüber, wie der Reisende vor dem Untergang war. Sie hören es gern und ich erinnere mich gern daran. Tief in ihrem Innern erinnern sie sich auch, denke ich. Sie erinnern sich an eine Zeit, als sie alle eins waren. Dennoch fragen sie gern nach dem, was mir der Reisende gesagt hat, und ich erzähle ihnen von allen Träumen, an die ich mich noch erinnern kann. Seit dem Untergang habe ich nicht mehr geträumt, und das ist fast—fast, fast—wieder wie Träumen.

Heute, in der Dämmerung, bat mich eine der schüchternen und ruhigen Geister, die an meiner Seite verweilte, ihr ins Tal zu folgen. Ich hätte ablehnen sollen, aber sie klang so hoffnungsvoll. Und ich war neugierig.

Wir sind Stunden lang unterwegs. Das Land hier erholt sich—nicht nur vom Untergang, sondern auch von der Zeit davor. Ressourcen für unsere Siedlung sind rar, aber die Natur kehrt allmählich zurück, und die Natur ist grausam. Seit Jahrzehnten musste sie hungern und war verwirrt, aus ihrer natürlichen Ordnung gedrängt, und jetzt wurden wir mit den Konsequenzen konfrontiert. Wölfe stehlen unser Vieh. Räudige Bären wandern spät in der Nacht durch unseren Komplex und wetzen ihre Pranken an unseren Türen. Das Land wird von der Erinnerung an Gift immer noch erstickt, so dass kein Getreide wächst.

Wir schützen uns vor dieser sich erholenden Welt, so gut wir können, und in der Nacht gehen wir nur sehr selten nach draußen. Doch ich werde von einer Neugier angetrieben, die nicht allein in mir selbst begründet zu sein scheint.

Der Geist führt mich zu einer Scheune mit einem halb eingestürzten Dach. Sie bittet mich, außer Sichtweite zu warten—sie sagt: „Ich glaube, du wirst ihr Angst machen.“ Ich verstehe nicht ganz, was sie meint.

Ich ducke mich und beobachte, wie sie über den Jahre alten Überresten einer Person schwebt, kaum erkennbar als etwas, das einst gelebt hat. Der Geist schwebt nervös über der Leiche und scannt diese schließlich mit einem fahlen Licht. Vor meinen Augen wächst Fleisch über alte Knochen und zerrissene Lumpen werden wieder wie neu. Die Person, eine Frau, schnappt nach Luft und setzt sich auf.

Ich kann es nicht glauben.

Der Geist schwebt in der Nähe ihrer neuen Gefährtin und sagt etwas Leises und Beruhigendes. Ich kann es nicht verstehen. Ich bin überrascht, dann eifersüchtig und dann beschämt.