Kapitel 19

DEIN LIED SOLL ZUM TOD WERDEN

„Atme durch neue Lungen und denk daran ...
Deine Schwester schuf ihr eigenes Ende, das ihren niederträchtigen Bestrebungen geschuldet war—die Logik zu untergraben und den Rest des Hauses Crota, die Linie von Oryx, auszulöschen, damit der Schwarm einen Weg über das Unmögliche hinaus finden könnte—jenseits des Aufstiegs.
Wie immer—über Zeit und Raum hinweg—hatte ihr großartiger Plan einen Fehler. Wie bei Oryx. Wie bei Crota. Wie bei der gesamten Existenz, wann immer jemand versucht, seine Position herauszufordern.
Du, süßeste Azavath, warst dieser Fehler.
Deine Schwester hat zu keinem Zeitpunkt die Verbindung zwischen dir und deinem Bruder in vollem Umfang erfasst, niemals den blinden Hass seines Zorns in Gänze erkannt, noch berücksichtigt, wie er sich in den ersten Augenblicken seines neuen Lebens manifestieren würde.
Und dieser Zorn? Er hat auch dich betrogen. Das Vertrauen, das du in Akrazul gesetzt hast—dass er, sobald er in deiner alten Haut zu neuer Gestalt finden würde, einen Sinn jenseits seiner Wut fände—wurde in dem Augenblick verworfen, als er wiedergeboren wurde und seine Klinge, von deiner Hand geführt, Malkanths Herz durchstieß.
Die Wunde schmerzt noch immer. Kannst du es fühlen?
Doch das Herz schlägt weiter.
Schwächer, aber es wird heilen, wenn du es zulässt.“

Azavath erhebt sich, unsicher—verwirrt.

Der Raum ist vertraut, doch sie ist unsäglich allein, als sie in die Nischen ihres Unterbewusstseins blickt.

Der Boden ist kalt und rau. Sie erhebt sich, während die Erkenntnis Einzug hält. Diese Augen sind nicht ihre eigenen. Diese Haut fühlt sich vertraut und doch fremd an.

Der Haufen neben ihr ist die Hülle dessen, was ihr Bruder war ...

Und sie erinnert sich an ihre letzten Momente.

Die Inquisition, die ihre Seele aus ihrem physischen Käfig riss. Der Zweck einer solch gräulichen Zeremonie.

„Warum bin ich zurückgekehrt?“, sinniert sie in Gegenwart von niemand anderem als dem unsichtbaren Wispern.

„Um die Wahrheit deiner Sünde zu erkennen.
Nicht in ihrer Blasphemie, sondern in ihrer Torheit.
Mehr noch, um deine Gabe und die Würdigkeit deiner Lieder zu überdenken, die noch von dir zu singen sind.“

„Warum bin ich in die Knochen meiner Schwester gehüllt?“

„Die Wut deines Bruders—das brodelnde Verderben, das ihn befallen hat—wurde freigesetzt. Wie geplant, jedoch lässt sie sich nicht kontrollieren.
Er hasst alle, die nicht du sind.
Er hasst sie für ihre Verfehlungen, für ihren Spott ... für die Erschaffung einer Gegenwart, die deines Opfers bedurfte, um eine unbekannte Zukunft zu sichern.“

„Wo ist er?“

„In der Grube. Gerade jetzt. Er ist ausgezogen, um den Schwarm seinem gerechten Urteil zuzuführen.“

„Er wird sie alle vernichten.“

„Oder die meisten. Er ist wahrhaft mächtig.“

„Er ist würdig.“

„Das mag einmal so gewesen sein, vielleicht. Doch jetzt? Er ist nicht die Antwort, die du suchtest.“

„Und du hast mich zurückgeholt, weil ...“

„Die Antwort liegt in dir.“

„Mein Lied.“

„Der Chor.“

„Du siehst ihn wiederaufgebaut?“

„Ich sehe seine Noten zum Tod werden—endgültig und wahrhaftig.
Deine Inquisition offenbarte dir das Versprechen der Macht der Melodie.
Du bist mit ihrer Geschichte verbunden.
Deine Aufhebung offenbarte dir alles, was darin verborgen liegt.
Du musstest es sehen, um es zu verstehen.
Du musstest begreifen, um zu handeln.“

„Du willst, dass ich meinen Bruder vernichte?“

„Ich will, dass du Möglichkeiten jenseits der Manipulation deiner Schwester und der Launenhaftigkeit deines Bruders in Erwägung ziehst.
Du bist die Trophäe.
Du bist der Schlüssel zu einem neuen Chorus.“

„Ich bin unvollendet.
Diese Kehle ist unfertig, untrainiert.
Die Dirigentin wird Malkanth niemals akzeptieren. Selbst wenn die Noten dieselben sind, wird meine Tonlage in diesem Körper niemals in die Arien einstimmen und die Töne erzeugen können, die du zu beschwören suchst.“

„Malkanth ist tot, du bist jemand anders.
„Azavath ist tot, du bist jemand anders.
Bald wird Akrazul tot sein. Und du wirst jemand anders sein.
Du wirst vollendet sein—der wiedergeborene A'Airâm ...“

„Der Erste Tod?“

„Du kennst die Legende?“

„Ja.“

„Wirst du den Chor anführen?“

„Das werde ich.“

„Dann suche die Kehle von deiner alten Gestalt und vollende deine Wiedergeburt. Werde der Erste Tod und diene als Katalysator für das, was eines Tages vielleicht dem Vergessen entgegenstehen wird.“

„Und für diese Ehre—für alles, was du getan hast—was begehrst du als Gegenleistung?“

„Ich bin nicht an Lob interessiert.
Ich will nur, dass dein Lied zu dem wird, was ich begehre.“

„Einer Waffe.“

„Und nichts sonst.“